Linzer Spaziergang ohne Zwang

Ab und an möchte man doch auch unter Menschen sein. Doch wo findet man diese? In Bars, Cafés, Restaurants oder vielleicht auch mal in einem Möbelhaus. Diese Orte haben eine gewisse Erwartungshaltung an ihre Besucher*innen: Wenn man während des Aufenthalts dort nur in einem Buch blättert oder ein Bierdeckelhaus baut, wird man im besten Fall schief angesehen, im schlechtesten höflich aufgefordert, sich doch bitte zu schleichen. Man ist gezwungen, Geld für für Waren oder Dienstleistungen auszugeben. Das Ganze scheint in unserem momentanen Wirtschaftssystem völlig logisch, aber es ist doch schön, dass es auch Orte gibt, wo es nicht ganz so gnadenlos zugeht, und dank denen man auch mit etwas „leereren“ Taschen am sozialen Leben teilnehmen kann. Im folgenden Text stellen wir einige solcher Orte in Linz vor und bewerten sie auf einer eigens dafür entwickelten Skala.

Wir starten beim Bahnhof und arbeiten uns langsam in Richtung Urfahr vor.


Der Park direkt beim Linzer Hauptbahnhof ist eigentlich überraschend schön, ein wenig stört die stark befahrene Kärntnerstraße direkt daneben. Dafür gibt es ein paar wirklich angenehme Schattenplätze, die – wenn man den Zug verpasst hat und sich beim Spar mit Snacks und Trinkbarem eindeckt – durchaus zum Verweilen einladen.

An dieser Stelle vielleicht eine kurze Klarstellung: Nur weil an einem Ort kein Konsumzwang herrscht, heißt es noch lange nicht, dass an diesem Ort kein Konsum stattfindet. Es ist nur ein anderer, leistbarer Konsum. Ein Blick in den Stowasser verrät: Das Verb „consumere“ kann gebrauchen, verwenden; im Zusammenhang mit Nahrung verzehren; und tatsächlich auch verprassen, vergeuden bedeuten. Konsum in Lokalen, wo der Bierpreis weit jenseits der vier Euro Schmerzensgrenze für eine Halbe liegt, fühlt sich schon sehr nach verprassen an.

Zurück zum Park: Die Bahnhofsnähe führt dazu, dass sich dort auch alle möglichen gesellschaftlichen Randfiguren tummeln, was einerseits nachvollziehbar und gut ist, ihnen steht der öffentliche Raum genauso zu; leider kann die Kombination aus dem psychischen Zustand und dem exzessiven Alkoholkonsum Einzelner manchmal zu unangenehmen Situation führen. (Es wird viel und wirr herumgeschrien.) Dann geht man halt weiter.

FAZIT: Leider doch nur 2/5 Bierdosen. Aber keep on rocking, komischer Bahnhofspark!

 


Wir gehen zur Landstraße und diese entlang Richtung Norden. Hier kommen wir zuerst am Volks- und später am Schillerpark vorbei. Über diese kann man im Grunde das Gleiche sagen wie über den Park beim Bahnhof, teilweise ist die Stimmung noch ein bisschen unguter.

Fazit: Leider nur 1/5 Bierdosen, hier ist definitiv noch Luft nach oben!


Hinter dem Schillerpark lässt sich dann das Idealbild eines konsumzwangfreien Raumes finden: Die Linzer Landesbibliothek. Hier gibt es einen halbwegs bequemen Sitzbereich, es liegen Zeitungen auf, ein Wasserautomat steht im Eck, und es gibt Zugang zu sauberen Toiletten. Zeitweise konnte man wegen des Lockdownlimbos die Bibliothek nur mit einer gültigen Karte betreten, mittlerweile steht sie wieder allen offen. Mit Dosenbier macht man sich zwar eher nicht beliebt, Kaffee und Wasser sollten aber OK sein, und manchmal reicht das ja auch völlig.

FAZIT: Ganze 5/5 mit Leitungswasser gefüllte Pappbecher, Traumergebnis!


Da vorhin das Stichwort OK fiel: Der OK Platz ist auch nicht von schlechten Eltern. Schattige Plätze, abgeschirmt vom Verkehr, das öffentliche WC im Ursulinensaal steht zur Verfügung. Außerdem kann man sich an heißen Tagen ein Eis gönnen, oder ins Moviemento flüchten, und wenn man Glückt hat, trifft man hier recht spannende Leute.

Fazit: 4/5 Bierdosen, durchaus respektabel!


Der nächste Ort ist ein waschechtes Politikum: Die Sitzstufen an der Donau neben dem Lentos. Von der Linzer Jugend gerne genutzt, werden sie von Plänen von einem Busparkplatz bedroht. Persönlich nutzen wir sie nicht wirklich, dennoch wäre es Schade, wenn sie zu einem seelenlosen Verladeplatz für Touristen*innen werden würden.

Fazit: Stabile 3/5 Bierdosen (eine Wertung, die natürlich auch eine Aufforderung an die Stadtpolitik enthält!)


Für den letzten Ort verschlägt es uns nach Urfahr. Wenn die Bar auf dem oberen Deck des Salonschiff Florentine nicht in Gebrauch ist, kann man dort sitzen und selbst mitgebrachte Getränke verzehren. Sonst eventuell auch, wir sind uns nicht ganz sicher, das ist alles so halb offiziell. Sicher sind wir uns, dass man von dort einen traumhaften Blick auf die Donau und auf Linz hat. Man ist auch zumindest etwas vor unguter Witterung geschützt, und die Leute dort sind auch nicht die unangenehmsten.

Fazit: Tatsächlich sehr super, Topscore!

Teile deine Gedanken